FORUM MITTELSTAND: 100 TAGE MINDESTLOHN FAKTENCHECK

Datum des Artikels 01.06.2015

Erfahrungen, Erwartungen und Änderungen

Eine erste Bilanz des gesetzlichen Mindestlohns zog die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Rheinland-Pfalz bei einem Forum in den Räumen des Medienzentrums des Krupp Verlags GmbH in Sinzig. Zahlreiche mittelständische Unternehmer aus der Region waren der Einladung des MIT-Landesverbandes gefolgt. Der Veranstaltungsort hat einen unmittelbaren Bezug zum Thema.

 

Der Krupp Verlag ediert in der ganzen Region Wochenzeitungen, die über ein eigenes Vertriebssystem mit Austrägern an die Haushalte geliefert werden. Der geschäftsführende Gesellschafter Peter Krupp stellte plastisch dar, dass die Zustellbezirke mit Blick auf die Entfernungen und die Arbeitszeiten exakt dokumentiert und nachgewiesen werden. Ein beachtlicher Aufwand, mit dem der Verlag nun ein dauerhaftes Nachweissystem aufgebaut hat.

Krupp präsentierte bei einem Rundgang durch die Firma ein modernes Medienunternehmen auf dem Stand der Technik. Gesundheitsvorsorge für die Mitarbeiter, Pflege des Betriebsklimas und eine hohe Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen sind Markenzeichen der Krupp Verlags GmbH.

Ein spannendes Streitgespräch über die Erfahrungen mit dem Mindestlohn führte MIT-Landesvorsitzender Gereon Haumann mit Professor Dr. Stefan Sell, Hochschule Koblenz, moderiert vom MIT-Kreisvorsitzenden Elmar Lerch. Haumann kritisierte scharf die Auswirkungen des Mindestlohns im Zusammenwirken mit dem Arbeitszeitgesetz und den enorm verschärften Dokumentationspflichten für die Unternehmen. Dahinter steht ein Generalverdacht gegen Unternehmer, denen die grundsätzliche Absicht des Gesetzesverstoßes unterstellt wird. Haumann forderte den Verzicht auf die Dokumentationspflichten. Mindestlohn und die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes müssen in alle Arbeitsverträge einfließen. Diese Verträge sind jederzeit einklagbar. Er wies zudem darauf hin, dass die Allgemeinverbindlichkeitserklärung bestehender Tarifverträge eine Alternative für die mit der Einführung eines einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns einhergehende Aushöhlung der Tarifautonomie gewesen wäre.

Professor Sell verteidigte Mindestlohn und Dokumentationspflichten. Sie seien eine Antwort auf missbräuchliche Praxis im Mindestlohnbereich. Das Problem für die Bürokratie sei nicht der Mindestlohn, sondern das Arbeitszeitgesetz, das in seiner geltenden Fassung von der CDU mitgetragen worden ist. Es sei nur zu begrüßen, dass Rechtsverstöße nun offengelegt würden.

Lerch wies die Diskutanten auf die Einschränkung der Vertragsfreiheit durch das Mindestlohngesetz hin. Das konnten Haumann und Sell bestätigen. Sell stellte klar, dass die Ursache dafür in fehlenden vertraglichen Vereinbarungen der Tarifpartner zu suchen sei. Dem konnte Haumann beipflichten. Wo die Bürger, ob Unternehmer oder Arbeitnehmer ihre Rechte und ihre Aufgaben nicht wahrnehmen, schlägt die Stunde des regulierenden Staates.

Über wichtige Fragen konnten Haumann und Professor Sell Konsens feststellen, der auch in den Beiträgen der engagiert teilnehmenden Mittelständler zum Ausdruck kam:

Die Mindestlohnkommission muss nach dem Rückzug ihres Vorsitzenden schnellstmöglich arbeitsfähig gemacht werden. Ein neuer Vorsitzender und die vorgesehenen Mitarbeiter müssen berufen werden und ihre Arbeit aufnehmen. Die Kommission soll die Wirkungen des Mindestlohns ermitteln und daraus Empfehlungen entwickeln. Das kann wesentlich zur Entspannung bei auftretenden Problemen beitragen.

Die derzeitige Höhe des Mindestlohns von 8,50 € pro Stunde ist nicht das wirkliche Problem, vielleicht für die neuen Bundesländer mit einem nach wie vor niedrigeren Einkommens- und Kostenniveau. Es kommt aber darauf an, die künftigen Anpassungen nicht zum Gegenstand der politischen Konkurrenz der Parteien zu machen, sondern klare sachliche und wirtschaftliche Maßstäbe anzulegen.

Tarifverträge besonders im Bereich niedriger Einkommen müssen wieder in stärkerem Maß rechtlich allgemeinverbindlich gemacht werden. Das ist besonders dort hilfreich, wo der Organisationsgrad bei beiden Tarifpartnern niedriger ist. Erst der Verzicht auf die Allgemeinverbindlichkeit habe zum gesetzlichen Mindestlohn geführt.

Das Arbeitszeitgesetz muss überprüft werden. Es muss künftig für Branchen wie die Gastronomie oder die Landwirtschaft flexiblere Arbeitszeiten mit Jahreskonten möglich machen. Denn die Anforderungen der Kunden und schlichte Sachzwänge machen das notwendig.

Ein Abend mit Gesprächen und Informationen auf hohem Niveau und mit viel Gelegenheit zu Kontakten und Gedankenaustausch.